Dienstag, 1. Oktober 2013

Die virtuelle therapeutische Beziehung


Das Thema der virtuellen therapeutischen Beziehung gewinnt infolge der seit einigen Jahren wachsenden Popularität des Internets in den Gesundheitsfragen immer mehr an Bedeutung. Denn inzwischen wird das Internet nicht nur für informative Zwecke zu verschiedensten Themen der körperlichen und psychischen Gesundheit verwendet, sondern für psychotherapeutische und beraterische Belange in unterschiedlichen Settings (E-Mail, SMS, Live-Chat, Video-Konferenzen) eingesetzt.

Im Rahmen der Online-Therapie kommt es zum ungehemmteren Austausch als im Face-to-Face-Kontakt, was sich sowohl positiv als auch negativ auf die therapeutische Beziehung auswirken kann. Herausragende Strukturmerkmale des Mediums Internet sind zum einen seine permanente Verfügbarkeit, zum anderen die Sicherstellung der zeitlichen Flexibilität. Dabei wird gerade das Wechselspiel zwischen unbegrenzter Erreichbarkeit anderer bei gleichzeitiger Anonymität der eigenen Person, als Gefahr für die Stabilität und Authentizität für die therapeutische Beziehung angesehen, denn dies birgt in sich die Unverbindlichkeit der Beziehung und somit ggf. die Gefahr der Erschaffung einer anderen Identität.

Gerade die Anonymität und die Möglichkeit darüber zu entscheiden, welche Inhalte man von sich selbst preisgibt, also Kontrolle darüber, wie ausführlich und wahrheitsgetreu die Person sich darstellt, birgt in sich die Gefahr des Kontrollverlustes. Man kann nur schlecht nachprüfen, ob ein Kommunikationspartner derjenige ist, als welcher er sich ausgibt. Trotzdem kann therapeutisch eine Online-Kommunikation Vorteile aufgrund der Enthemmung infolge der Anonymität ergeben, da die Klienten eher dazu bereit sind sehr intime und peinliche Informationen mitzuteilen, die im therapeutischen Kontext und Setting verarbeiten werden können.

Der Mangel an nonverbaler Kommunikation, die im psychotherapeutischen Geschehen als unabdingbar gilt, stellt den bedeutsamsten Kritikpunkt für die Qualität der therapeutischen Beziehung via Internet dar. Denn die Kommunikation wird als Wechselspiel zwischen Sender und Empfänger gesehen, in welchem sich beide gegenseitig bedingen und verbale sowie nonverbale Signale gleichermaßen eine Rolle auf Inhalts- und Beziehungsebene spielen.

Die in der computervermittelten Kommunikation verwendete Sprache (rein textliche Sprache) sei entsprechend der Kanalreduktions-Theorien emotional ärmer, was zur Entsinnlichung und Unverbindlichkeit sozialer Beziehungen führe und den Aufbau sozioemotionaler Beziehungen erschwere (Götz, 2003).

Auch der bewusste Einsatz von Emoticons (z.B. Smiley) könne das Wegfallen von Mimik und Prosodie nicht kompensieren, da beim gegenseitigen Verstehen viele unbewusste Signale basierend auf nonverbaler Sprache und dem mimischen Ausdruck, notwendig bzw. fördernd sind. Ebenso können Missverständnisse schneller auftreten, vor allem bei einer asynchronen Kommunikation. Auftreten von Unstimmigkeiten, die nicht direkt aufgelöst werden können, kann einen beträchtlichen Einfluss auf die therapeutische Beziehung nehmen.

Besonders in der Psychotherapie ist es wichtig die Präzision der Formulierung zu gewährleisten um Missdeutungen zu vermeiden.

Viele der angeführten Gefahren lassen sich allerdings durch entsprechende Weiterqualifikationen auf diesem Bereich, sowie methodische Kompetenzen des Beraters/Therapeutes und seine Erfahrung kompensieren.
  
Darüber hinaus gilt es: Online-Beratung/Therapie ist sowohl von der Beziehung als auch der Kommunikation auf keinen Fall mit einer Face-to-Face-Beratung/Therapie gleichzusetzen und und sollte als eine grundsätzlich eigenständige Form klinischer Intervention behandelt werden.

 Autor / Information: 


Demetris Malberg, Dipl. Psych.; wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kassel im Fachbereich „Theorie und Methodik der Beratung“

THERAPION.COM

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